1. Landeskonvent Baukultur Brandenburg

Datum: 21. März 2023

Ort: Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Potsdam

Dokumentation der Veranstaltung

4. April 2023, Veranstaltungsbericht

1. Landeskonvent Baukultur Brandenburg

Die Bewältigung des Klimawandels, der Weg in eine neue Umbaukultur, der Schutz des baukulturellen Erbes, die Förderung der Baukultur in städtischen und ländlichen Räumen, die Sicherstellung einer breiten Beteiligung der Bevölkerung – die aktuellen Aufgaben für die Baukultur in Brandenburg sind vielfältig. Wie sie sich gemeinsam meistern lassen und welche Lösungsansätze es gibt, diskutierten Expert:innen aus Architektur, Stadtplanung und Ingenieurwesen zusammen mit Vertreter:innen aus Politik, Kultur, Verwaltung, Wohnungswesen und Bauwirtschaft am 21. März 2023 beim 1. Landeskonvent Baukultur Brandenburg im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam. Ausgerichtet von der Baukulturinitiative Brandenburg als Kooperation des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg, der Brandenburgischen Architektenkammer und der Brandenburgischen Ingenieurkammer, bildete der Landeskonvent den Auftakt für das „Baukulturjahr Brandenburg 2023“.

Begrüßt wurden die mehr als 200 Teilnehmenden von Guido Beermann, Minister für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg. Der Landeskonvent solle eine Plattform für den Austausch und die Unterstützung des Netzwerks mit allen am Planen und Bauen beteiligten Akteuren darstellen, erläuterte er in seiner Rede. Denn Baukultur bedeute nicht nur eine gut gestaltete bauliche Umwelt, sondern umfasse auch die Art und Weise, wie bauliche Ergebnisse zustande kommen: „Wir wissen aus vielen Erfahrungen, dass überzeugende bauliche, auch städtebauliche Lösungen vor allem durch die gute Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten entstehen“, so Beermann.

Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, spannte in ihrer Festrede den Bogen zwischen der internationalen, der Bundes- und der Landesebene. Mit der Verabschiedung der Erklärung von Davos habe die Bundesregierung die Bedeutung der Baukultur und den Wert des baukulturellen Erbes in Deutschland anerkannt. Für die Umsetzung der Erklärung seien regionale Initiativen wie die Baukulturinitiative Brandenburg wichtig, hielt Geywitz fest. „Die neue Umbaukultur wird nur funktionieren, wenn alle Räder ineinandergreifen: die Bundesgesetzgebung, die 16 Bauordnungen der Länder und natürlich auch nur, wenn vor Ort in den Kommunen eine Offenheit für das Thema Umbau herrscht“, so die Bundesministerin. Ein positives Beispiel in Brandenburg hierfür sei Luckenwalde, das sich dem Erhalt des baukulturellen Erbes der Stadt verschrieben hat.

Im Anschluss an die Begrüßungsreden steckten die Impulsvorträge von Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Initiator und Geschäftsführer des Bauhaus Erde, Bärbel Kannenberg, Architektin und zweifache Preisträgerin des Brandenburgischen Baukulturpreises, und Katja Melzer, Geschäftsführerin der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte, den thematischen Rahmen für die darauffolgenden Programmpunkte ab.

Reiner Nagel betonte in seinem Vortrag „Baukultur im Umbau“, dass eine neue Umbaukultur und eine Bestandssanierung mit Augenmaß bei der Bewältigung des Klimawandels eine entscheidende Rolle spielen. Dafür sei es aber notwendig, das Vertrauen der Bevölkerung in den Umbau zu gewinnen. „Gebäude bestehen aus mehr als nur Baustoffen und gebundenen Emissionen, sie haben auch einen emotionalen, immateriellen und kulturellen Wert und häufig ungeahnte Raumpotentiale“, so Nagel. Dies bedeute: neben den Argumenten, die für den Erhalt der grauen Energie sprechen, im Bestand die sogenannte goldene Energie zu erkennen. Zu beachten sei außerdem der Prebound-Effekt auf die Energieeffizienz, also die Auswirkungen eines sparsameren Nutzerverhaltens im Bestand.

Einen ganzheitlichen Ansatz für eine neue Vision der gebauten Umwelt wie den der Bauhausbewegung des 20. Jahrhunderts forderte Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber in seinem Beitrag „Klimawende durch Bauwende“. Mit den enormen Auswirkungen der gebauten Umwelt auf den Klimawandel seien alle Beteiligten aufgefordert, Ansätze und Ideen für klimafreundliches Bauen umzusetzen. „Die Bauwende ist in der Politik angekommen. Ohne sie können die Pariser Klimaziele nicht eingehalten werden“, konstatierte der Gründer von Bauhaus Erde und Direktor Emeritus des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Eine Transformation des Gebäudesektors von einer CO2-Quelle hin zu einer CO2-Senke, durch die Verwendung nachwachsender Baumaterialien sei notwendig, um Umwelt und Klima für kommende Generationen zu schützen.

Bärbel Kannenberg sprach in ihrem Impuls zum Thema „Baukultur in städtischen und ländlichen Räumen – Qualität als Chance“ über die Verantwortung von Architekt:innen angesichts der drängenden Aufgaben für die Baukultur. „Was kann die Gesellschaft von unserer Arbeit erwarten? Als Architekten tragen wir hohe Verantwortung, weil ‚gebaute Kultur‘ – im Guten oder Schlechten – immer langfristig wirkt“, so Kannenberg. Nur mit hohem Engagement, Freude an der Aufgabe und Verbindlichkeit, nicht zuletzt auch mit der Fähigkeit zum konstruktiven Streiten, könne hohe und damit nachhaltige Baukultur entstehen.

Zur Bedeutung von Kunst und Kultur als Impulsgeber für einen gesellschaftlichen Wandel äußerte sich Katja Melzer in ihrem Vortrag „Neue (Frei)Räume! – KULTUR als Motor für gesellschaftliche Veränderungsprozesse“. „Wir müssen die Bürgerbeteiligung an Stadt- und Raumentwicklung befördern und Kultur als Multiplikator und Ideengeber begreifen und weitervermitteln. Baukultur betrifft uns alle“, forderte sie in ihrem Vortrag.

Der Nachmittag der Veranstaltung widmete sich in drei Diskussionsrunden gelungenen Praxisbeispielen der Baukultur in Brandenburg. Darüber, wie der ländliche Raum fit für die Zukunft gemacht werden kann, diskutierten die Teilnehmenden der ersten Diskussionsrunde. Festgehalten wurde, dass eine gezielte Unterstützung beim Dorfumbau dringend nötig ist, um den ländlichen Raum attraktiver zu machen. Denn wenn die öffentliche Hand in Baukultur investiert, ergeben sich auch weitere Investitionen im Privaten. Doch um ländliche Räume fortentwickeln zu können, müssen die Menschen auch schnell dorthin gelangen können – gut ausgebaute Verkehrswege sind deshalb unabdingbar. Ebenso wichtig sind Prozessbegleitung und ökologischer Umbau sowie deren Förderung. Die Förderlandschaft im ländlichen Raum ist jedoch noch undurchsichtig.

In der zweiten Diskussionsrunde gingt es um den Klimawandel. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass das Thema bei Kindern und Jugendlichen angesiedelt werden muss. Sie sind langfristig betroffen und können als Botschafter:innen für andere Generationen fungieren. Freiräume spielen neben dem Städtebau bei der Klimaanpassung und dem Klimaschutz eine besondere Rolle, denn sie machen die Klimarelevanz guter Baukultur unmittelbar erfahrbar. Aufgabe der Verwaltung ist es dabei, durch „Entrümpeln des Formalen“ zu unterstützen: Besser eine Umbauordnung als 16 Bauordnungen, entschieden die Teilnehmenden. Holz ist dabei eine Schlüsselressource und bietet unter anderem aufgrund seines Potenzials im Hochbaubereich eine große Chance. Ein baukultureller Check eines Bauvorhabens könnte besonders in der Phase Null helfen, gute Baukultur von Anfang an zu unterstützen.

Ein wichtiges Thema der Diskussionsrunde 3 „Baukultur im Umbau“ war die Notwendigkeit einer durchgehenden interdisziplinären Zusammenarbeit. Denn die Aufgaben im Bestand sind komplex, und können von keiner Disziplin alleine geleistet werden. Dass BIM (Building Information Management) dazu eine Hilfe und auch einen Mehrwert in der Vermittlung des Architektur- und Nutzungskonzeptes sein kann, belegt das Praxisbeispiel des Textilmuseums in Forst. Dies alles funktioniert jedoch nur, wenn die entsprechenden Ressourcen und eine verlässliche Förderung vorhanden sind: Gute Umbaukultur braucht Anschubfinanzierung. In der Diskussionsrunde herrschte Einigkeit darüber, dass das einfache Abriss- und Neubau-Prinzip überholt ist. Eine Erhaltung und Entwicklung des Bestands muss Priorität haben. Um dies zu erreichen, müssen jedoch die teils überhöhten Anforderungen an den Bestand auf ein realistisches Maß abgesenkt werden.

Das Baukulturjahr wird von zwei Institutionen ausgerufen: der Baukulturinitiative Brandenburg und Kulturland Brandenburg, das im Rahmen seines Themenjahres 2023 „Baukultur leben“ alle Brandenburger:innen einlädt, die Baukultur in ihrem Land näher kennen zu lernen. Welche Schwerpunkte das Themenjahr setzt und welche Projekte sich daran beteiligen, stellte Christian Müller-Lorenz, Leiter der Themenjahre bei Kulturland Brandenburg, beim nächsten Programmpunkt des Landeskonvents vor. Ziel des Themenjahres sei es unter anderem, mehr Stolz und Bewusstsein für das regionaltypische Bauen zu schaffen, die Bedeutung von Mobilität für die Beziehungen zwischen Stadt und Land zu verdeutlichen sowie die Grundsätze der Erklärung von Davos zu vermitteln. „Wir wollen Lust bei den Bürgerinnen und Bürgern schaffen, sich mit Baukultur zu beschäftigen und auseinanderzusetzen“, schloss er.

Gute Baukultur bedeutet Nachhaltigkeit, schafft Netzwerke, verbindet Menschen und Berufe – und macht glücklich. Das war das Fazit der abschließenden Podiumsdiskussion zu den Erwartungen und Potentialen des Baukulturjahres. Das Netzwerk in Brandenburg zeige sich unter anderem im Brandenburgischen Baukulturpreis, die deutschlandweit einzige Kooperation in diesem Gebiet zwischen einer Architekten- und einer Ingenieurkammer, so Matthias Krebs, Präsident der Brandenburgischen Ingenieurkammer. Auch Minister Guido Beermann betonte: „Baukultur ist mehr als über schöne Gebäude zu reden. Wichtig sind vor allem auch die Verfahren des Planens und Bauens.“ Andreas Rieger, Präsident der Brandenburgischen Architektenkammer, sieht „Bund, Land und Kommunen in der Pflicht, eine hohe Baukultur beim Planen und Bauen zu ermöglichen.“ Tobias Dünow, Staatssekretär am Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, sieht in der Baukultur in Brandenburg erfolgreiche, praktizierte Demokratie und resümiert: „Sie haben es geschafft, dass viele Leute für Baukultur brennen.“

Ziel des 1. Landeskonvents Baukultur Brandenburg war es, die Bedeutung der Baukultur für Brandenburg deutlich zu machen, das Netzwerk der Baukulturschaffenden zu stärken und den Austausch zu einem qualitätsvollen, sozial verträglichen und klimafreundlichen Planen und Bauen anzuregen und zu verstetigen. Dass dies gelungen ist, zeigen das große Interesse an der Veranstaltung, die rege Beteiligung der Anwesenden und die ergebnisreichen Diskussionen. Sie lassen mit Vorfreude auf die weiteren Veranstaltungen und Projekte im Baukulturjahr Brandenburg 2023 blicken. Auf zwei Termine möchten wir Sie dabei ganz besonders hinweisen: den erstmalig stattfindenden Tag der Baukultur am 23. und 24. September und die gemeinsame Abschlussveranstaltung zum Baukulturjahr der Baukulturinitiative Brandenburg und Kulturland Brandenburgs am 17. November mit der Verleihung des Brandenburgischen Baukulturpreises und der Veröffentlichung der Brandenburger Erklärung zur Baukultur.

 

Dieser Bericht erschien auch in der Ausgabe 05/23 des DAB Regionalteil Ost.

Eine ausführliche Dokumentation der Ergebnisse des 1. Landeskonvents Baukultur Brandenburg finden Sie hier.

1. Landeskonvent Baukultur Brandenburg

Datum: 21. März 2023

Ort: Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Potsdam

Dokumentation der Veranstaltung