20. Juni 2023, Veranstaltungsbericht

Von der baubezogenen Kunst zum Klimaplan Brandenburg

Zu einer Podiumsdiskussion unter diesem weit gefassten Titel hatte die Landtagspräsidentin und Schirmherrin des Netzwerkes Baukultur Brandenburg, Prof. Dr. Ulrike Liedtke am 28. März 2023 in den Plenarsaal des Landtages eingeladen. Anlass dazu war die Ausstellung „Umwelt gestalten – Baubezogene Kunst aus der DDR im Land Brandenburg“, die noch bis 8. Dezember auf den Fluren des Landtags in Potsdam zu sehen ist. Die vom Museum für Utopie und Alltag in Eisenhüttenstadt in Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum konzipierte Ausstellung zeigt Fotografien von Martin Maleschka sowie originale Fassadenteile und Modelle. Sie wird regelmäßig von Führungen begleitet, so auch vor der Podiumsdiskussion als Kuratorin Sabrina Kotzian zahlreiche Interessierte durch die Ausstellung führte.

Einführung

In ihrer Begrüßung setzte die Landtagspräsidentin Prof. Dr. Liedtke bereits das Lehrgerüst des Bogens und warf die Frage auf, ob die Baukunst eher vom Bau oder von der Kunst handeln sollte. Dazu zitierte sie Adolf Loos, der 1910 schrieb, Das Haus müsse allen gefallen – und sei damit der Gesellschaft verantwortlich – im Gegensatz zum freien Kunstwerk, das niemandem gefallen müsse. Wie hielt es die DDR mit ihrer baubezogenen Kunst? Sie war nicht nur Ornament, sondern vermittelte politische Botschaften: „Das Anliegen einen Neuen Menschen zu schaffen, war allen Ideologen des 20. Jahrhunderts gemeinsam“. Heute gehe es hingegen darum, „demokratische, architektonische und stadtplanerische Antworten auf die Herausforderungen der Klimakrise und der Ressourcenknappheit zu finden“, ohne die soziale Frage zu vernachlässigen. Beim Bauen sollte auf Sanieren im Bestand gesetzt werden. Eine Umbaukultur, wie sie auch von der Bundesstiftung Baukultur vertreten werde, sei der Schlüssel zu bezahlbarem Wohnraum wie für Klima- und Bodenschutz, so Prof. Dr. Liedtke.

Komplexe Umweltgestaltung

In einem ersten Vortrag ordnete Axel Drieschner, Leiter des Museums für Utopie und Alltag, die baubezogene Kunst der DDR in den kulturellen und politischen Kontext ein und fügte dem weiten Bogen erste Bausteine hinzu. Die Stadt und ihre Bauten begnügten sich nie mit Funktionserfüllung oder materieller Bedürfnisbefriedigung, sondern waren stets Ausdruck des Stellenwerts von Kunst und Architektur in der jeweiligen Gesellschaft. So forderte Walter Gropius 1949 in Abkehr von funktionalistischen Positionen: „der Kontakt zwischen Architekten und Künstlern ist für die künftige Entwicklung mindestens so wichtig wie die Einrichtung der Klimaanlagen.“ Diese Aussage, transformiert für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, sollte laut Driescher bedacht werden, wenn über klimagerechtes Bauen und ästhetische Fragestellungen gesprochen werde. Künstlerische Aspekte waren und sind immer zentraler Bestandteil der gebauten Umwelt. In der DDR knüpften sich hoch gesteckte Erwartungen an die gesellschaftliche Wirksamkeit von Kunst, nicht nur als Ausdruck eines „kulturvollen“, und damit „gelungenen“ Gemeinwesens, sondern auch als Medium der „Erziehung“ der „sozialistischen Persönlichkeit“. Jenseits solcher Zuschreibungen bliebe zu konstatieren, dass baugebundene Kunst aus der DDR bis heute einen markanten Beitrag zur Qualifikation öffentlicher Räume leistet – nicht zuletzt an Orten, wo die Architektur dies nicht vermag. Die Ausstattung mit künstlerischen Arbeiten wurde eingeordnet in ein universelles Programm der Umweltgestaltung, ob sie nun mit politischen Aussagen aufwartete oder wie zumeist mehr dekorativen und den Alltag illustrierenden Funktionen genügte. Schon in den 1960er Jahren formulierte Herman Meusel: „Unter komplexer Umweltgestaltung wird ein Arbeitsgebiet verstanden, zu der das Gebäude, die bildende Kunst, die Landschafts-, Grün- und Freiraumgestaltung, die Kleinarchitektur und die Elemente der visuellen Kommunikation gehören“.

Wovon unsere Bauten, Dörfer und Städte erzählen

In seinem Keynote-Vortrag spannte Prof. Thomas Will von der TU Dresden und der Sächsischen Akademie der Künste dann den ganzen Bogen von der baubezogenen Kunst zu den Themen des Klimaplans Brandenburg, der derzeit in der Landesregierung erarbeitet und noch 2023 beschlossen werden soll. Das Verbindende von Kunst und Klimaplan klang bereits im Titel seines Referats an: „Wovon unsere Bauten, Dörfer und Städte erzählen – Botschaften des Planens und Bauens und die Erkenntnis der Grenzen der Erde“. Die baubezogene Kunst stellt heute eine abgeschlossene Werkgattung dar, die mittlerweile als schützenswertes bauliches Erbe der DDR gesehen wird. Was wären die ästhetischen Botschaften einer Baukunst, die ihr Denken an den erkennbar gewordenen Grenzen des Planeten Erde ausrichtet? Will stellte schon zu Beginn eine Reihe wichtiger Fragen.

Bildgeschichten und ihre Entstehung

Authentischer als manche der hinzugefügten Kunstwerke berichten Häuser, Siedlungen und Stadträume selbst von den Ideen ihrer Schöpfer, ihren Entstehungsbedingungen und vom Leben, für das sie geschaffen wurden. Wir erkennen im Stadtbild auch viele Jahrzehnte später, wann Baukultur und ihre gestalterischen Mittel außer Acht gerieten. Für das, was Bauten und Landschaften von den Zielen der Nachhaltigkeit erzählen, habe Rem Koolhaas eine Antwort: „Die Ökologie ist das Ornament des 21. Jahrhunderts.“ Es werde jedoch nicht reichen, die Bilder von Hoffnung und Utopie durch solche der Dystopie oder Nostalgie zu ersetzen.

„So wie die industrielle Moderne auf eine von der Geschichte gereinigte Neue Welt, auf Wachstum und Massenproduktion abzielte und dafür Bilder schuf, so kann eine neue Baukultur aus sich heraus Ausdrucksformen finden, die unserer Situation gerecht werden“, so Will. Diese Tatsache gelte es zu nutzen in einer Zeit, in der die Bauwende in aller Munde sei. „Das Bau- und Siedlungswesen ist hauptverantwortlich für die Ausbeutung der Erde und die Klimaveränderungen, die nicht freundlich ausfallen werden. Doch beim ressourcenschonenden Planen und Bauen hat sich wenig getan.“ Es geht um Grund und Boden, begrenztes Wachstum und globale Kreislaufwirtschaft, Gesetze und Normen sowie den menschlichen Appetit auf mehr. All das bremse oft unnötig die Bestandsnutzung und Wiederverwendung des Bestehenden. Will illustrierte dies mit einem Beispiel aus seiner Praxis. Für den Hochwasserschutz in Grimma hatte er vorgeschlagen, Steine aus Abbruchhäusern als Verkleidung der neuen Schutzmauer wiederzuverwenden. Leider kam wegen der Wasserbaunormen kein einziger alter Stein zum Einsatz.

Haltungswende für gute Baukultur

Für einen Klimaplan gelte es daher, attraktive räumliche und materielle Lösungen zu finden. Der technische und ökonomische Wandel ist eine kulturelle Angelegenheit, denn seine Ausgestaltung sei nicht allein wissenschaftlicher Expertise überlassen. Das bedeute vor allem eine Haltungswende. Wie im Natur- und im Denkmalschutz wird man das vorausschauende Bewahren alles Wertvollen generell auf den Baubestand ausdehnen müssen, denn er ist die entscheidende Ressource hoher Baukultur, wie sie in der Erklärung von Davos beschrieben ist. Dazu gehören auch die Botschaften, die der Baubestand übermittelt. Wer sich leichtfertig davon verabschiedet, der verliert die Fähigkeit, sich im Strom der Geschichte zu orientieren und die neuen Umbrüche robust und flexibel zu meistern.

Grundlage einer hohen Baukultur ist eine breite Beteiligung und eine gute Umsetzung. Für die Bewahrung und die schonende Anpassung der Städte und Dörfer an sorgsamere Wirtschaftsweisen bedarf es der Mitwirkung von Bürgerschaft, Politik und Verwaltung ebenso wie von privaten Bauherren, Stadtplanern, Architekten und Ingenieuren sowie des Handwerks und der Industrie.

Garten Brandenburg

Als positives Beispiel für die gute Baukultur eines resilienten Bau- und Siedlungswesens stellte Thomas Will das Bild eines Gartens vor, in dem der Kreislauf aus Pflege und Ernten trotz begrenzten Raums Stimmigkeit erzeugt: „Stellen wir uns Brandenburg als einen riesigen, teils verwilderten Garten vor, den man bewirtschaften und pflegen, ausbeuten oder verkümmern lassen kann, nicht aber vollends unterwerfen oder endlos vergrößern. Können wir die Masse einfacher Bauten und Siedlungsräume, auch die, die abweisend oder veraltet wirken, als etwas Sinnhaftes und Schutzwürdiges erkennen und bewerten, anstatt sie als das Unkraut in diesem Garten auszusondern? Ein Garten ist der Prüfstein für unseren Umgang mit der Natur wie auch für die Baukultur, die nicht außerhalb der Natur existieren kann.“

Podiumsdiskussion

An die beiden Vorträge, die nicht nur einen Bogen, sondern schon die Pläne für eine feste Brücke von der Kunst zum Klimaplan Brandenburg entwarfen, schloss sich eine Podiumsdiskussion an. Nora Görke, Bürgermeisterin der Stadt Kyritz, Stefan Bruch, im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung zuständig für den Klimaplan Brandenburg, Eckhard Hasler, in Partizipationsprojekten erfahrener Stadtplaner, sowie Andreas Rieger, Präsident der Brandenburgischen Architektenkammer diskutierten mit den beiden Referenten, wie sie die Rolle der Baukultur bei der Bewältigung des Klimawandels sehen.

Nora Görke formulierte ihren Anspruch in der Kleinstadt Kyritz, mehr Baukultur umzusetzen: „Baukultur ist die aktive Suche nicht nach einer Lösung, sondern nach der besten Lösung. Das heißt, man muss sich von Anfang an mit ganz vielen Dingen und allen Akteuren auseinandersetzen. Dazu braucht es gute Nerven. Um so mehr macht es Freude, wenn am Schluss eine gute Lösung da ist.“ Ein geeignetes Mittel dazu sieht sie im Architekturwettbewerb.

„Was kann die baubezogene Kunst für das nachhaltigen Planen und Bauen leisten?“ fragte Andreas Rieger. Komplexe Umweltgestaltung war der Punkt von dem diese Veranstaltung ausging. Darauf bezog sich Axel Drieschner: Sozial und ästhetisch anspruchsvolle, somit lebenswerte Städte und Dörfer mit qualitätsvollen Räumen für den gesamten Alltag schaffen. Das heißt weg von der Funktionstrennung, weg von der Stadt als Renditemaschine. Kunst sei nur eines von vielen Mosaiksteinchen und habe die Funktion die Aufenthaltsqualität unserer öffentlichen Räume zu stärken.

„Welchen Beitrag kann hohe Baukultur zur Bewältigung des Klimawandels leisten?“

Diese Frage ging zunächst an Stefan Bruch und er stellte fest: „Im Gebäudesektor sind die Herausforderungen für die Klimaschutzziele sehr groß. Sie erschöpfen sich nicht im Dämmen und Dichten oder dem Heizungsaustausch. Baukultur eröffnet die Chance mehr daraus zu machen.“ Höhere Qualität im Sinne von mehr Bewusstsein für die gebaute Umwelt, für echte Partizipation in der Stadtentwicklung, insbesondere zur Bewahrung der Substanz, des baukulturellen Erbes und der Kunst am Bau. Das Projekt Stadtentdecker zeige, wie Baukultur funktioniert. „Wir sehen in Baukultur eine große Chance, den Prozess der Zielerreichung beim Klimaschutz so zu gestalten, dass er Akzeptanz findet.“

In vielen Städten und Gemeinden sind Baukultur oder ein Klimaplan noch keine Grundlage für die Entwicklung des jeweiligen Lebensumfeldes. Eckhard Hasler zeichnete jedoch ein differenziertes Bild: „Es gibt ganz viel gute Beispiele engagierter Kommunen. …Was mich eher umtreibt, wie kriegen wir das Ganze, die vielen guten Beispiel und Formate in die Breite?“ Ihn interessiert, wie Baukultur in die Alltagswirklichkeit der Menschen übersetzt wird. Deswegen plädierte er dafür, zuzuhören was den Dorfkern oder das Quartier für die Menschen vor Ort ausmacht. Auf dem Weg zu einer guten Baukultur empfahl Hasler, die unterschiedlichen Wahrnehmungen zu berücksichtigen.

Dazu betonte Thomas Will die Macht des guten Beispiels, das von der Architektenschaft sowie von Institutionen wie dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung oder der Bundesstiftung Baukultur vermittelt werde. Und Eckhard Hasler, der auch als Mediator tätig ist, unterstrich, dass es dabei neben der sachlichen eine emotionale Ebene gebe, die genutzt werden sollte. Auch Nora Görke meinte, man würde viel von sich preisgeben, wenn man in der eigenen Stadt für ein Projekt kämpfe, doch die Menschen, die Sachargumenten oft nicht zugänglich sind, müssten durch die richtige Ansprache erkennen, wie schön es ist!

Text: Andreas Rieger

Dieser Veranstaltungsbericht erschien auch in der Ausgabe 07/23 des DAB Regionalteil Ost.

Begrüßung durch die Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke Begrüßung durch die Landtagspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Sabrina Kotzian, die Kuratorin der Ausstellung führte vor Veranstaltungsbeginn durch die Ausstellung, v.l.n.r.: Sabrina Kotzian, Uta Zerjeski, Vorstandsmitglied der BA Sabrina Kotzian, die Kuratorin der Ausstellung führte vor Veranstaltungsbeginn durch die Ausstellung, v.l.n.r.: Sabrina Kotzian, Uta Zerjeski, Vorstandsmitglied der BA
Podiumsdiskussion zum Thema „Baukultur 2023 – Von der baubezogenen Kunst zum Klimaplan Brandenburg“, v.l.n.r.: Architekt Prof. Thomas Will von der TU Dresden, Axel Drieschner vom Museum Utopie und Alltag, Bürgermeisterin in Kyritz an der Knatter Nora Görke, Moderator Andreas Rieger, Eckhard Hasler, Stadtplaner aus Berlin und Stefan Bruch, Abteilungsleiter „Stadtentwicklung und Wohnen“ im Landesministerium für Infrastruktur und Landesplanung Podiumsdiskussion zum Thema „Baukultur 2023 – Von der baubezogenen Kunst zum Klimaplan Brandenburg“, v.l.n.r.: Architekt Prof. Thomas Will von der TU Dresden, Axel Drieschner vom Museum Utopie und Alltag, Bürgermeisterin in Kyritz an der Knatter Nora Görke, Moderator Andreas Rieger, Eckhard Hasler, Stadtplaner aus Berlin und Stefan Bruch, Abteilungsleiter „Stadtentwicklung und Wohnen“ im Landesministerium für Infrastruktur und Landesplanung