17. August 2023, Veranstaltungsbericht

Baukultur Picknick auf dem Gutshof Kraatz

Wie Baukultur, Tourismus und die zeitgemäße Nutzung von Bestandsgebäuden zu Motoren für die ländliche Entwicklung werden können, wurde am 23. Juni 2023 beim Baukultur Picknick auf dem Gutshof Kraatz diskutiert. Das Baukultur Picknick der Baukulturinitiative Brandenburg ist ein 2020 initiiertes Veranstaltungsformat, bei dem den Teilnehmenden in einführenden Redebeiträgen eine Basis für anschließende Diskussionen in lockerer Atmosphäre bei Speis und Trank vermittelt wird. Im Fokus steht die Vorstellung von Beispielen für gute Baukultur im ländlichen Raum Brandenburgs.

Trotz schlechten Wetters lockte es viele Interessierte auf den Gutshof in der Gemeinde Nordwestuckermark. Die historische Bausubstanz des Gutshofes Kraatz in der reichhaltigen Kulturlandschaft der Uckermark wurde ökologisch saniert und wird seit 2010 touristisch und gewerblich genutzt. Aus den ehemaligen Wirtschafts- und Wohngebäuden des Ensembles wurden eine Gastwirtschaft, zwei Ferienhäuser und eine Kelterei. Produkte aus eigener Herstellung ergänzen das Angebot des Hofes.

Aber was ist eigentlich Baukultur? Auf den doch oft unklaren Begriff ging Hans-Joachim Stricker, stellvertretender Referatsleiter für Stadtentwicklung im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung, zu Beginn der Veranstaltung ein: „Baukultur ist nicht nur die Erhaltung der Kirche im Ort, sondern auch, wenn Privathäuser umgebaut oder erweitert werden. Es geht um die Regeln und die Vorgehensweisen, wie etwas gestaltet wird.“ Der ökologisch sanierte Gutshof Kraatz sei dabei eine gelungene Initiative im gewerblichen Bereich, bei der sich mit Engagement darum gekümmert wird, dass es im Ort voran geht. Besonders im ländlichen Raum sei eine enge Zusammenarbeit zwischen Privatpersonen und der Verwaltung wichtig.

Das Baukultur Picknick fand in Kooperation mit dem Projekt „Inwertsetzung eines modellhaften Lösungsweges Baukultur und Tourismus im Landkreis Uckermark sowie im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin“ im Auftrag des Landkreises Uckermark statt. Die Ziele des Projektes stellte Juliane Koch, BTE Tourismus- und Regionalberatung, vor. Es ginge darum, das Verständnis für Baukultur zu stärken, nach geeigneten Wegen zur Implementierung des Themas bei Touristiker:innen, Bauwilligen, Bauherr:innen und Kommunen zu suchen und das Netzwerk von Baukultur-Akteur:innen in der Region zu stärken. Denn eine intakte Baukultur stelle neben der Naturlandschaft im ländlichen Raum das Rückgrat des Tourismus dar: „Der Erhalt von ortstypischen Gebäuden bedeutet gleichzeitig den Erhalt der Identität eines Ortes. Er ist im Tourismus ein wichtiges Mittel gegen die Austauschbarkeit und Beliebigkeit von Zielgebieten“, schloss sie. Prof. Jürgen Peters von der am Projekt beteiligten Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde bekräftigte, dass die baukulturellen Potentiale des ländlichen Raumes genutzt werden sollten, gerade in Bezug auf die Nachhaltigkeit. Im Namen der Gemeinde begrüßte schließlich Petra Buchholz, stellvertretende Bürgermeisterin der Gemeinde Nordwestuckermark und Tourismusverantwortliche, die Teilnehmenden. Von besonderer Bedeutung für sie sei es, dass es mit dem Projekt gelinge, direkt in die Gemeinden zu gehen und die Bürger:innen für Baukultur zu sensibilisieren.

Wie die Baukulturinitiative Brandenburg im und für den ländlichen Raum aktiv ist, erläuterte Stefanie Rasche, Leiterin der Geschäftsstelle der Baukulturinitiative Brandenburg. Anliegen der Baukulturinitiative sei es, gute Baukultur im Land Brandenburg zu unterstützen und sichtbar zu machen. Gute Baukultur, das sei etwa, wenn sich für einen Umbau anstelle eines ressourcenintensiven Neubaus entschieden werde, wenn ökologische Baustoffe eingesetzt werden und auch, wenn leerstehende Gebäude einer neuen Nutzung zugeführt werden können, wie es auch beim Gutshof Kraatz geschehen ist. Aufgabe der Baukulturinitiative sei es, auf solche Projekte mit Veranstaltungen wie dem Baukultur Picknick aufmerksam zu machen, Impulse für weitere Vorhaben zu schaffen und den Austausch zwischen Engagierten zu fördern. „Wir sind überzeugt, dass das Bewahren und das Weiterdenken der Bausubstanz im ländlichen Raum dessen Zukunftsfähigkeit sichert.“, fügte sie hinzu. Zum Schluss folgte noch eine herzliche Einladung zum von der Baukulturinitiative Brandenburg ausgerufenen Tag der Baukultur am 23. und 24. September 2023, an dem auch vier Veranstaltungen in der Uckermark stattfinden werden.

Tobias Wienand, Referatsleiter für ländliche Entwicklung im Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz, leistete einen weiteren Redebeitrag. Auch er sieht in der Baukultur einen wichtigen Faktor für die regionale Identität im ländlichen Raum. Durch Sensibilisierungsmaßnahmen wie dem DorfDialog in Zusammenarbeit mit der Brandenburgischen Architektenkammer, die Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft Historische Dorfkerne oder verschiedene Fördermaßnahmen könne Bürger:innen der baukulturelle Wert ihrer Häuser vermittelt werden. Besonders mit der LEADER-Förderung, von der auch der Gutshof Kraatz profitierte, sei schon viel im ländlichen Raum in Brandenburg bewegt worden: „Allein zwischen 2014 und 2020 sind mehr als 500 erhaltenswerte Gebäude im Rahmen der LEADER-Richtlinie gefördert worden, darunter mehr als 200 denkmalgeschützte Gebäude, die dann durch die Eigentümer:innen umgenutzt oder saniert wurden.“

Zum Abschluss der Redebeiträge übernahm Jürgen Profitlich, Inhaber des Gutshof Kraatz, das Wort. Anhand verschiedener Aufnahmen, historischer und aktueller Karten und einer Führung über das Hofgelände zeichnete er die Geschichte des Gutshofes nach. Der Großteil des ca. 1870 erbauten Ensembles steht unter Denkmalschutz. Bei der Sanierung wurde darauf geachtet, die Lesbarkeit der historischen Bausubstanz und die Raumwirkung der einzelnen Gebäude, wie etwa der noch zur Hälfte bestehenden Scheune, zu erhalten. Die Rekonstruktion unter Verwendung lokal verfügbarer Baustoffe erfolgte zu Teilen mithilfe von Fotografien der in den 1930er Jahren auf den Gutshof gezogenen Siedlerfamilien. Dabei fanden jedoch auch innovative Neuerungen wie eine Holz-Beton-Verbunddecke Anwendung, die aus mit Stahlbeton verbundenen entrindeten, längs aufgetrennten und auf der Decke verteilten Kiefern und Lärchen besteht. Die Konstruktion reduziert den Bedarf an Stahl und Beton und hält, zusammen mit dem begrünten Dach, den als Lager genutzten hinteren Teil der Scheune frostgeschützt. Neben der zu einer Mosterei, einem Lager, einer Werkstatt und einem Gastraum umgebauten Scheune sind nun die Remise und das an die Scheune angebaute Neusiedlerhaus als Ferienwohnungen und das ehemalige Wohnhaus in Nutzung. Das ebenfalls zum Ensemble gehörende Herrenhaus, hinter dem sich ein Landschaftspark erstreckt, wird aktuell saniert. Beim Austausch mit den Teilnehmenden zeigte sich von allen Seiten reges Interesse: Sei es fachlich zu Denkmalschutz und Baustoffen, gewerblich zu Gastronomie und Betrieb oder persönlich über eigene Erfahrungen.

Baukultur, Tourismus und großes privates Engagement können also die Ortsentwicklung in kleinen ländlichen Gemeinden vorantreiben – das wurde beim Baukultur Picknick auf dem Gutshof Kraatz deutlich. Das Beispiel zeigt jedoch auch, dass eine Kombination von Nutzungen in den sanierten Bestandsgebäuden eine erhebliche Rolle für die Wirtschaftlichkeit der Projekte spielt: Allein wäre die Gastwirtschaft wirtschaftlich kaum tragbar, dient aber in der am Gutshof angewandten Kombination als Verkaufsstelle und „Showroom“ der Kelterei einem zusätzlichen Zweck. Zudem stellt sie für Gäste vor Ort oder auf Durchreise einen gastronomischen und baukulturellen Fixpunkt dar und setzt durch die Verwendung regionaler Produkte die Kulturlandschaft sichtbar in Szene – der einer neuen Nutzung zugeführte Gutshof bereichert so nicht nur die örtliche, sondern auch die regionale Entwicklung.

 

Text: Stefanie Rasche, Baukulturinitiative Brandenburg, und Juliane Koch, BTE Tourismus- und Regionalberatung

Dieser Bericht erschien in der Ausgabe 09/23 des DAB Regionalteil Ost (PDF).

In der ehemaligen Scheune des Gutshofes begann die Veranstaltung mit kurzen Vorträgen. In der ehemaligen Scheune des Gutshofes begann die Veranstaltung mit kurzen Vorträgen.
Das Wohnhaus des Gutshofes wird wieder genutzt. Das Wohnhaus des Gutshofes wird wieder genutzt.
Die Teilnehmenden konnten das an die ehemalige Scheune angrenzende umgebaute Ferienhaus besichtigen. Die Teilnehmenden konnten das an die ehemalige Scheune angrenzende umgebaute Ferienhaus besichtigen.